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Das Relief von Genf um 1850, erste grosse historische 3D-Rekonstitution einer Stadt



Das Relief von Genf um 1850, Gesamtansicht

1878 erdacht und 1896 fertiggestellt: Das Relief von Genf um 1850 ist ein grosses, ovales Stadtmodell von 30m2 (7,25 m mal 5,25 m) aus Metall, Holz und Glas. Es zeigt die damals noch befestigte Stadt von Genf mit ihren drei Befestigungsanlagen, just bevor die Mauern abgerissen und die Gräben zugeschüttet wurden. Es ist die erste historische Nachbildung einer ganzen Stadt in drei Dimensionen.

Ein Meisterwerk der Goldschmiedekunst

Die Pläne des Reliefs von Genf um 1850 wurden vom Genfer Architekten Auguste Magnin (1841-1903) mit der Hilfe des Zeichners Charles Reuter konzipiert. Gefertigt wurde das Modell von einem Goldschmied und mehreren Feinmechanikern sowie mit der Hilfe eines Kunsttischlers. Seine beachtliche Grösse, seine geometrische Präzision und die Finesse seiner Detailarbeiten machen dieses Relief zu einem Kulturgut von nationaler Bedeutung und einem Meisterwerk der Goldschmiedekunst: die 2’000 Häuser mit ihren insgesamt 40'000 Fenstern und 8'000 Dachluken sind aus Zink und die Dächer aus Kupfer gefertigt, die 1’500 Bäume aus Zinn oder Zinkguss hergestellt. Die Struktureffekte auf den Dachziegeln, den Gebäude- und Mauersteinen sowie dem Strassenpflaster wurden mittels Galvanoplastie realisiert.

Das Relief von Genf um 1850: Rive gauche
Insgesamt wiegt das Relief von Genf um 1850 630 Kg, der Rahmen, auf dem es ruht, nicht mitgerechnet. Das Modell als Ganzes ist zerlegbar, denn es ist aus 118 unabhängigen Blöcken zusammengesetzt – welche in grossen Teilen ganzen Wohnquartieren entsprechen –, die sich wie Puzzleteile nahtlos aneinanderfügen.

Das Relief von Genf um 1850 - Detail


Eine grossartige Rekonstruktionsarbeit

Um das Relief von Genf um 1850 zu konzipieren und die Pläne zu zeichnen hatte Auguste Magnin Recherchearbeiten im Kataster, Archiven und in öffentlichen wie privaten Sammlungen durchgeführt. Er hatte Karten, Pläne, Gravuren, Gemälde und auch die ersten, 1848 von Genf gemachten Fotografien konsultiert, um die Gebäude, die Bauwerke und die verschwundenen Befestigungsanlagen zu rekonstruieren. Um die Genauigkeit seiner Pläne zu gewährleisten ermittelte er selber die Position von seinerzeit noch existenten Gebäuden. Und auf beeindruckende Weise fertigte er von den wichtigsten Gebäuden der Stadt Tintezeichnungen an, die er in einem grossartigen, seitenstarken Album (Album des monuments de Genève en 1850) zusammenfügte.

Ein Häuserviertel des Reliefs für die Restauration von 1981-1984 demontiert


Die Erfindung: drei Reduktionsmassstäbe

Mit Hilfe von Elementen aus dem Kartonmodellbau verbrachte Auguste Magnin lange Monate damit, das Problem der Verkleinerung der befestigten Stadt zu studieren. Er wollte eine realistische Ansicht der Stadt gewinnen, trotz dem, dass der Betrachter sie von oben sieht, gewissermassen aus der Sicht eines Riesen. Nach zahlreichen Versuchen entschied sich der Architekt für ein System, das drei verschiedene

Plan für den Zuschnitt einer Häusergruppe

Massstäbe gleichzeitig berücksichtigt: 1:250 für den Plan, 1:200 für die Gebäudehöhen und 1:100 für die Geländeneigungen. Indem er auf diese Weise das Geländegefälle um das Doppelte und die Gebäudehöhen um einen Viertel überhöht hatte, gelang es dem Architekten, den Betrachtern eine realistische Ansicht der Organisation der Befestigungsanlagen und der Stadtviertel zu verschaffen, was es ihnen erlaubt, wichtige Gebäude wie die Kathedrale leicht zu identifizieren.
Diese Technik mit drei Massstäben wird wenige Jahrzehnte später von Paul Bigot (1870-1942) und Italo Gismondi (1887-1974) übernommen werden, die einen grossen Teil ihres Lebens der Anfertigung von berühmten Modellbauten des antiken Roms widmeten, welche heute im Museo della Civiltà Romana besichtigt werden können.

Stadtmodell in extremis vollendet

Nach mehreren, durch Finanzierungsschwierigkeiten bedingte Unterbrechungen konnte das Relief von Genf um 1850 gerade noch rechtzeitig fertiggestellt werden, um es im Parc de plaisance an der Landesausstellung auszustellen, die vom 1. Mai bis zum 18. Oktober 1896 in Genf auf der Ebene des Plainpalais durchgeführt wurde. Danach wurde das Stadt modell demontiert und der Öffentlichkeit erst wieder 1901 in der neuen Genfer Handelsschule gezeigt.

1910 wurde das imposante Stadtmodell in das neue Kunsthistorische Museum überbracht, wo es von Generationen von Genfer Schulkindern bewundert wurde. 1981 unterzog man das Relief 4 Jahre dauernden und umfassenden Restaurationsarbeiten. 1984 schliesslich brachte man es auf seinen gegenwärtigen Platz im Dachgeschoss der Maison Tavel, dem ältesten Privathaus der Stadt Genf, das heute ein Museum ist.

Detail des Reliefs
Im Laufe dieser Umzüge hat das Modell einige seiner Bauteile verloren: das blau bemalte Glas, das den Genfersee, die Rhone und die Arve darstellte, die Waschplätze im Quartier de l’Île (auf den Fotos von 1892 abgebildet) und die Segelbote auf dem See (auf den Fotos von 1896 abgebildet).


Für die zukünftigen Generationen...

Wenn Auguste Magnin so viel Energie, Geld und Können in den Bau des Reliefs von Genf um 1850 gesteckt hat, dann tat er dies, weil er den zukünftigen Generationen ein beredtes Zeugnis von der Geschichte ihrer Stadt hinterlassen wollte. Sein imposanter Gürtel der Befestigungsanlagen und seine eng aneinander geschmiegten Gebäude verliehen Genf nicht nur einen pittoresken Aspekt, sondern machten auch den jahrhundertelangen Widerstand der protestantischen Republik gegen ihre katholischen Gegner sichtbar. Ihre weitflächigen Verteidigungsanlagen, welche die Hälfte des Geländes beanspruchten, hatten einen immensen Einsatz der Menschen und der Geldgeber verlangt. Die politische Entscheidung sie zu zerstören, um die Stadt zu vergrössern und für die Welt zu öffnen, war keine leichte.


Das Porträt einer Stadt an einem Wendepunkt ihrer Geschichte

Das Relief von Genf um 1850 ist das Porträt einer Stadt an einem entscheidenden Wendepunkt ihrer Geschichte. Denn 1846 hatte die Stadt eine Revolution erlebt, die nicht nur eine neue Kantonsverfassung herbeiführte, sondern auch einer entschlossen für den Fortschritt kämpfenden Mehrheit in die Machtpositionen verhalf. 1849, nach langen Diskussionen, stimmte der neue Grosse Rat dem Abriss der Befestigungsanlagen und der Zuschüttung der Gräben zu. Man wollte damit einerseits die Schranken zwischen der Oberstadt (eher bürgerlich) und der Unterstadt (eher proletarisch) aufheben und andererseits den Bau von neuen Stadtvierteln ermöglichen. Genf war damals wie viele andere europäischen Städte durch eine hohe Geburtenrate und Immigration mit einer starken Bevölkerungszunahme konfrontiert.

James Fazy besichtigt den Abriss der Befestigungsanlagen um 1850

Das Jahr 1850 war ein echter Wendepunkt in der Geschichte Genfs, das sich schnell in eine weltoffene und kosmopolitische Stadt wandelte: In den kommenden knapp 30 Jahren wird sich die Bevölkerung von Genf verdoppeln.

Der Preis des Reliefs: 60’000 Franken (CHF 2,5 Millionen)

Zwischen 1880 und 1890 hatte Auguste Magnin am Stadtmodell von Genf um 1850 auf eigene Kosten gearbeitet und 30'000 Franken aus seinem persönlichen Vermögen eingesetzt (damals betrug das Jahressalär eines Briefträgers etwa 1600 Franken). Um die erst zur Hälfte geleistete Arbeit fertigzustellen sowie um sich die bereits ausgeführten Arbeiten bezahlen zu lassen, verkaufte er das Relief der Stadt Genf. Insgesamt kostete das Stadtmodell 60'000 Franken: 30'000 Franken wurden ihm vom Kanton und der Stadt Genf erstattet; 28'000 wurden aus öffentlichen Anleihen erzielt und die verbleibenden 2'000 Franken steuerte Auguste Magnin selber bei, der sich dafür entschied, sein "Album des monuments de Genève en 1850" der Hilfsgesellschaft für Kunst und Literatur zu verkaufen. Diese einzigartige Album enthält Beschreibungen, Pläne und Zeichnungen mit Bemessungsdaten der wichtigsten Gebäude und Bauwerke der Stadt. Es kann heute im Centre d’iconographie de la Bibliothèque de Genève eingesehen werden.

Besichtigung des Reliefs
Maison Tavel
Rue du Puits-Saint-Pierre 6
CH-1204 Genève
11h-18h, Montag geschlossen
Tel. +41 22 418 37 00 • mah@ville-ge.ch
www.mah-geneve.ch